Zurück zum Ursprung? Ein Interview mit einem Produzenten, der die Landwirtschaft niemals aufgegeben hat.
zweiter Teil, 70er-90er Jahre
Im zweiten Teil des Interviews mit Michele Lobascio, dem Familienvater von Terradiva, beginnen wir mit der Erzählung aus den 70er Jahren über die Besetzung des Landes durch arbeitslose Jugendliche aus Minervino Murge, der Gründung der Genossenschaft “Carmine Giorgio” und der Zusammenarbeit mit Kooperativen aus der Emilia-Romagna Region.
In den 90er Jahren wurde die Entscheidung getroffen in das Gebiet zu investieren, um den landwirtschaftlichen Familienbetrieb bis zum Erhalt der Bio-Zertifizierung wachsen zu lassen.
Mit zwanzig Jahren hast du an der Landbesetzungsbewegung in Minervino Murge teilgenommen. Kannst du uns das besser erklären?
In den Jahren 1977 und 78 nahm ich an der Landbesetzungsbewegung teil. Damals gab es ein nationales Gesetz, das arbeitslose junge Menschen helfen sollte, die Landwirtschaft in schlecht bebauten Gebieten zu intensivieren.
In Minervino Murge, in meinem Dorf in Apulien, gab es einen großen landwirtschaftlichen Betrieb, der einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gehörte, aber von der Gemeinde verwaltet wurde. Dieser Betrieb war eine Schenkung der adeligen Familie Corsi, die mit ihrer Spende die Absicht zum Ausdruck brachten, dass der Erlös aus diesen Gebieten und anderen Grundstücken die Ausbildung von Landarbeitskindern finanzieren würde, die zuvor in denselben Gebieten gearbeitet hatten.
Die Besetzung dieses landwirtschaftlichen Gebietes durch uns junge Leute dauerte Monate. Die Polizei kam und verwies uns des Landes. Doch wir gingen wieder zurück auf die Felder, setzten uns und verblieben dort bis die Polizei wieder zurückkam und uns aus dem Betrieb entfernte. Am Ende hatten wir es jedoch geschafft: Wir haben gezeigt, dass die Landwirtschaft auf diesen Feldern produktiver werden und transformiert werden konnte. Also wurden sie uns zugewiesen.
Letztendlich haben wir auch einen Privatisierungsprozess durchlaufen. Der Prozess fand in der Kammer unserer Gemeinde statt: Die Besetzung des apulischen Gebietes durch uns Landarbeiter hatte eine nationale Medienresonanz, die ich mir nie so hätte vorstellen können!
RAI produzierte zur Geschichte der Landbesetzungsbewegung in Minervino Murge eine Fernsehbeitrag. Hatte diese großartige Sichtbarkeit Konsequenzen für dich?
Dieses Video wurde in ganz Italien gesehen, daher wurden wir von dem Leiter Bruno Taroni aus einer Genossenschaft aus Sant’Alberto (Ravenna) kontaktiert. Er schrieb uns einen Brief, den ich noch habe: Er gab uns Mut und sagte uns, dass wir nicht aufgeben und stark sein sollten, um mit unserem Kampf, um die Besetzung der Gebiete voranzukommen. Ich habe es für mich als Aufgabe gesehen auf diesen Brief zu antworten.
Zu dieser Zeit gab es im Dorf Sant’Alberto (Ravenna) die jährliche Genossenschaftsfeier zu welcher wir eingeladen wurden. Geehrt nahmen wir an dieser Veranstaltung teil… Es war eine riesige Kooperative für uns. Sie kultivierten Obstbäume und bewirtschafteten verschiedene Viehbetriebe.
Und so entstand mit dieser Genossenschaft eine Zusammenarbeit und eine lange Freundschaft mit dem Leiter. Später wurde er auch mein Hochzeitstrauzeuge. Ihre Unterstützung war von grundlegender Bedeutung für uns: Wir haben uns mit Agronomen und Verwaltungsmitarbeitern in Verbindung gesetzt, die uns bei der Strukturierung der neuen Genossenschaft geholfen haben, welche aus der Landbesetzungsbewegung hervorgegangen ist. Wir haben diese Genossenschaft Carmine Giorgio gewidmet, einem Bäcker aus Minervino Murge, der in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hart dafür kämpfte, die Bedingungen der Landarbeiter zu verbessern.
Von der Emilia Romagna, insbesondere von der Genossenschaftsliga der Föderation Ravenna, erhielten wir auch Hilfe in Bezug auf sehr nützliche Geräte: Bewässerungssysteme, Traktoren sowie Werkzeuge für die Bewirtschaftung des Landes und das Pflanzen neuer Bäume in einem Gebiet, dass bis dahin hauptsächlich für den Anbau von Weizen verwendet wurde.
Nach dieser ersten kooperativen Erfahrung habe ich auch eine weitere mit der Genossenschaft “La Primula” gemacht. Wir haben sie so genannt, weil die Primula die erste Blume ist, die nach der Kälte des Winters blüht.
Die kooperativen Erfahrungen waren für meine Ausbildung von großer Bedeutung: der Ideenaustausch unter uns jungen Menschen, der Teamaufbau, die Streitigkeiten und manchmal sogar harte Konfrontation zwischen verschiedenen Denkweisen.
Und wo hast du nach den Erfahrungen in den Genossenschaften gearbeitet?
Nach den Erfahrungen in den Genossenschaften war ich einige Jahre in der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte tätig. Es war eine wichtige Arbeit für mich, weil ich lernte, wie der Großhandel funktioniert, welche Mechanismen innerhalb der Vertriebszentren für Obst und Gemüse bestehen und wie Gemüse und Tafeltrauben auf den Feldern verarbeitet werden.
All dies hat mir sehr geholfen für die Zukunft. In der Zwischenzeit investierte ich weiter in die Landwirtschaft und kaufte Grundstücke, die ich mit denen meines Vaters und Dank meiner Frau, auch die meines Schwiegervaters kombinierte.
1999 reifte die Entscheidung in mir, mich aus der Transformationsbranche zurückzuziehen und mich ausschließlich der Führung des Familienunternehmens zu widmen, indem ich es transformierte und als Bio-Landwirtschaftsbetrieb zertifizierte.
Was würdest du jungen Menschen sagen, die diesen Job heute machen wollen?
Die Landwirtschaft ist ein Beruf, den man lieben muss. Die Bäume, das heißt, dass was du säest, das Gemüse, … sie leben jeden Tag … Wenn du säest, siehst du die Ergebnisse. Du siehst die Blume und dann die Früchte – es sind schöne Empfindungen. Es ist ein Job, der immer lebt. Die Pflanzen entscheiden wann sie Pflege brauchen, nicht wann du Zeit hast. Dafür musst du also bereit sein. Denn sie warten nicht auf dich, sie machen weiter.
Du musst mit den Pflanzen sprechen. Wenn ich heute auf den Feldern des Familienunternehmens – Terradiva – bin, kenne ich diese Bäume und ich erinnere mich an ihre Bedürfnisse: Dieser Baum hat eine bestimmte Krankheit, der andere hat ein Problem mit den Wurzeln und daher andere Wünsche. Es ist im Grunde gleich, wie als wenn man mit Menschen umgeht.
Was ist Innovation für Dich?
Innovation ist etwas, dass es dir ermöglicht besser zu leben und Müdigkeit zu lindern, denn die Landwirtschaft ist sehr anstrengend – sehen wir von einigen Bildern, welche die Landwirtschaft “romantisieren” im Fernsehen ab. Dank Innovation können wir heute einfacher als früher und ohne Chemie produzieren.